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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 10/04
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt.
1. Für den objektiven Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG reicht es aus, dass die unrichtigen Angaben für das ausländerrechtliche Verfahren deshalb von Bedeutung sind, weil sie sich im Allgemeinen zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels eignen.

2. § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG ist kein nur für Ausländer geltendes Sonderdelikt. Die Vorschrift kann in ihrer fremdnützigen Begehungsvariante auch von Deutschen täterschaftlich verwirklicht werden.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

3 Ws 10/04

wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern

hier: sofortige Beschwerde gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens

Beschluss vom 29. Juli 2004

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts B vom 08. Dezember 2003 aufgehoben.

Das Hauptverfahren wird eröffnet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04. September 2003 wird mit der Maßgabe, dass der Angeschuldigte des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen hinreichend verdächtig ist, zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht - 2. Große Strafkammer - B zugelassen.

Gründe:

I.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04.09.2003 legt dem Angeschuldigten zur Last, sich wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern gemäß §§ 92 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen strafbar gemacht zu haben. Nach dem Anklagesatz habe er als geschäftsführender Alleingesellschafter der Fa. H GmbH im Zeitraum von November 2000 bis März 2003 (richtig: 2002) in 24 näher bezeichneten Einzelfällen zur Erzielung einer dauerhaften und nicht unwesentlichen Erwerbsquelle, nämlich zum Preis von ca. 110,- US-Dollar pro Person, Einladungsschreiben für 34 angebliche Reisegruppen ukrainischer Staatsangehöriger gefertigt, mit welchen die deutsche Botschaft in Kiew/Ukraine gebeten worden seien, für die in den beigefügten Listen aufgeführten Reiseteilnehmer jeweils Touristenvisa für einen datumsmäßig festgelegten Aufenthalt in Deutschland von in der Regel zehn Tagen Dauer zu erteilen. Den Einladungsschreiben samt Teilnehmerlisten seien jeweils u. a. ein touristisches Aufenthaltsprogramm der Fa. H GmbH sowie die Reservierungsbetätigung eines Hotels aus der Umgebung für den angegebenen Reisezeitraum beigefügt gewesen. Diese Unterlagen habe der Angeschuldigte an seine Geschäftspartner in der Ukraine übersandt, die sie verabredungsgemäß zusammen mit den Visaanträgen der angeblichen Reiseteilnehmer der deutschen Botschaft in Kiew zur Erlangung von Touristenvisa vorgelegt hätten. Eine Umsetzung des vorgelegten Aufenthaltsprogramms und die Inanspruchnahme der reservierten Beherbergungsleistungen in dem genannten Umfang seien zu keinem Zeitpunkt von keinem der Beteiligten gewollt gewesen. Die Unterlagen hätten vielmehr allein dem Zweck gedient, bei den zuständigen Mitarbeitern der Botschaft den Eindruck zu erwecken, es sei für den genannten Zeitraum von den aufgelisteten Reiseteilnehmern eine touristische Reise mit detailliertem Aufenthaltsprogramm in Deutschland und geregelter Unterkunft in den angegebenen Hotels gebucht worden. Auf der Grundlage der unrichtigen Angaben seien von der deutschen Botschaft in Kiew für insgesamt 1194 ukrainische Staatsangehörige Touristenvisa erteilt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht B die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Die Strafkammer ist der Auffassung, dass eine Strafbarkeit des Angeschuldigten ausscheide, weil bei der Beantragung der Touristenvisa für die Teilnehmer der 34 Reisegruppen keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG gemacht worden seien. Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Das zulässige (§ 210 Abs. 2 StPO) Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßgabe - zur Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04.09.2003 zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht B . Entgegen der von der Strafkammer in ihrer Nichteröffnungsentscheidung vertretenen Auffassung ist der Angeschuldigte bei vorläufiger Tatbewertung auf Grund des in der Anklageschrift und dem Ermittlungsbericht der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleuser des Landeskriminalamts Baden-Württemberg und des Bundesgrenzschutzamts S vom 18.03.2003 dokumentierten Ergebnisses der kriminalpolizeilichen Ermittlungen hinreichend verdächtig, sich jedenfalls des gemeinschaftlich begangenen Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen schuldig gemacht zu haben.

1. a) Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG macht sich unter anderem strafbar, wer unrichtige Angaben macht, um für einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen. Das Tatbestandsmerkmal der unrichtigen Angaben ist erfüllt, wenn der Täter in einem ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels Angaben macht, welche mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Dass die unwahren Angaben zur Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung geführt haben oder hierzu geeignet waren, ist nicht erforderlich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob dem begünstigten Ausländer bei zutreffendem Sachvortrag ein Aufenthaltstitel gewährt worden wäre. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG reicht vielmehr aus, dass die Angaben für das ausländerrechtliche Verfahren von Bedeutung sind, weil sie im Allgemeinen zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels geeignet sind (vgl. Senat Die Justiz 1998, 223, 224; BayObLG NStZ-RR 2000, 344; B. v. 15.09.2003 - 4 St RR 112/03; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 56; VG Berlin (11. Kammer) InfAuslR 2004, 204; VG Neustadt InfAuslR 2003, 99; LG Offenburg Urt. v. 04.03.2004 - 1 KLs 12 Js 9206/01; Senge in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze § 92 AuslG Rdnr. 37; Hailbronner AuslR § 92 Rdnr. 53; Lorenz NStZ 2002, 640, 642; Heinrich ZAR 2003, 166, 171; Aurnhammer Spezielles Ausländerstrafrecht S. 68, 146; Cantzler Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit S. 123; a. A. VG Berlin (21. Kammer) InfAuslR 2003, 96; VG Koblenz InfAuslR 1992, 86; Stoppa in Huber Handbuch des Ausländer- und Asylrechts § 92 AuslG Rdnr. 207, 216 (aber auch Rdnr. 210); GK-AuslG § 92 Rdnr. 31; unklar Renner AuslR 7. Aufl. § 92 Rdnr. 17 und 18).

Die Auslegung der Norm im Sinne eines abstrakten Gefährdungsdelikts (Senat aaO) kann sich sowohl auf den Wortlaut der Vorschrift, als auch auf deren Schutzzweck stützen. Die 1. Alternative des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG pönalisiert nach ihrem Wortlaut den im Vorbringen objektiver Falschangaben liegenden Rechtsmissbrauch zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts im Vorfeld (vgl. Senat aaO), ohne dass ein Taterfolg verlangt oder bestimmte Anforderungen an die Qualität der gemachten Angaben gestellt werden. Ihrem Normzweck nach dient die Vorschrift dem Schutz des formellen ausländerrechtlichen Verfahrens mit dem Ziel, den Erlass materiell rechtmäßiger Aufenthaltstitel sicherzustellen (BayObLG B. v. 15.09.2003 - 4 St RR 112/03; vgl. Lorenz NStZ 2002, 640, 641). Diese auf die Absicherung des ausländerrechtlichen Verfahrens abzielende Schutzrichtung findet ihre Rechtfertigung darin, dass den materiellen Zwecken des Ausländerrechts anders als durch einen behördlichen Feststellungsprozess kaum Geltung zu verschaffen ist (Aurnhammer aaO S. 77; Lorenz aaO; zum Schutzzweck der Strafvorschriften des AuslG vgl. Aurnhammer aaO S. 76 ff; Heinrich ZAR 2003, 166, 169; Renner aaO § 92 Rdnr. 3; Cantzler aaO S. 103 ff). Der verfahrensbezogene Schutzzweck des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG ist aber bereits dann berührt, wenn durch falsche Angaben im ausländerrechtlichen Verfahren die richtige Anwendung des materiellen Ausländerrechts abstrakt gefährdet wird, weil das unwahre Vorbringen im Allgemeinen, wenn auch nicht im speziellen Fall, geeignet ist, den begünstigten Ausländern zu Unrecht ein Aufenthaltstitel zu verschaffen (vgl. Senat aaO; BayObLG aaO; VG Berlin (11. Kammer) InfAuslR 2004, 204; Hailbronner aaO Rdnr. 53).

Für die sich aus Wortlaut und Schutzzweck ergebende Auslegung der Vorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1.Alt. AuslG als abstraktes Gefährdungsdelikt sprechen zudem Gesichtspunkte der Praktikabilität. Wollte man in Fällen, in denen bei zutreffendem Tatsachenvorbringen hypothetisch ein Aufenthaltsrecht gewährt worden wäre, eine Tatbestandsverwirklichung verneinen (so Stoppa aaO Rdnr. 216 f), müsste der Strafrichter stets prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus irgendeinem anderen als dem fälschlicherweise behaupteten Sachverhalt erfüllt sind, wobei die Aufklärung des Sachverhalts wegen der begrenzten Ermittlungsmöglichkeiten bei Tatsachen mit Auslandsbezug oder aus dem privaten Bereich des Ausländers mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein kann (vgl. VG Berlin (11. Kammer) aaO). Dies würde die Anwendung der Strafvorschrift in der Praxis erheblich erschweren. Schließlich gibt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ( BVerfG NStZ 2003, 488) entgegen der Auffassung der Strafkammer keine Veranlassung, die Strafvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG einschränkend auszulegen.

b) Der Angeschuldigte ist hinreichend verdächtig, bei der Beantragung der Touristenvisa für die Teilnehmer der 34 angeblichen Reisegruppen im Zusammenwirken mit seinen Geschäftspartnern in der Ukraine unrichtige Angaben i. S. des § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG gemacht zu haben.

Nach den im Ermittlungsbericht der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleuser vom 18.03.2003 näher dargestellten Ergebnissen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen ist mit einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Verdachtsgrad davon auszugehen, dass weder die vorgelegten touristischen Aufenthaltsprogramme tatsächlich durchgeführt, noch die Hotelreservierungen für die genannten Reisezeiträume in Anspruch genommen werden sollten, die Unterlagen vielmehr dazu dienten, den mit der Visaerteilung befassten Mitarbeitern der deutschen Botschaft jeweils wahrheitswidrig die Teilnahme an einer organisierten Gruppenreise mit einem bestimmten touristischen Reiseprogramm vorzuspiegeln. Dafür sprechen unter anderem die inhaltlichen Unstimmigkeiten in den Aufenthaltsprogrammen selbst sowie der Umstand, dass die Ermittlungen keinerlei Anhaltspunkte für eine auf die Umsetzung der Programme gerichteten Geschäftstätigkeit ergeben haben. Die Angaben der Betreiber des Hotels B und des Gasthauses Z K sowie die erhobenen Rechnungen des Hotels R und die Auswertung des Zahlungsverkehrs belegen zudem, dass die in den Reservierungsbestätigungen ausgewiesenen Beherbergungsleistungen tatsächlich gar nicht oder nur in geringem Umfang für einen erheblich kürzeren Zeitraum beansprucht wurden. Soweit ukrainische Staatsangehörige, die mit den erteilten Touristenvisa eingereist waren, vereinzelt bei Kontrollen festgestellt werden konnten, sprechen die hierbei gewonnenen Erkenntnisse und die Angaben der eingereisten Ausländern schließlich gegen die Durchführung einer gebuchten touristischen Gruppenreise.

Bei den mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmenden Angaben über das vorgesehene Reiseprogramm und die Unterbringung der Reiseteilnehmer handelt es sich um Falschangaben, die für das ausländerrechtliche Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung von Bedeutung waren. Dies folgt schon daraus, dass eine Aufenthaltsbewilligung nach § 28 AuslG stets an einen bestimmten, seiner Natur nach nur vorübergehenden Aufenthaltszweck gebunden ist und deren Erteilung im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde steht (vgl. Renner aaO § 28 Rdnr. 2; Hailbronner aaO § 28 Rdnr. 9 f). Die Ausübung des Ermessens, bei welchem die Frage der Rückkehrbereitschaft des Ausländers im Vordergrund steht (Hailbronner aaO Rdnr. 10), kann sachgerecht nur bei Kenntnis des wirklichen Aufenthaltszwecks erfolgen. Durch die Täuschung über den beabsichtigten Zweck und Verlauf der Reise werden in jedem Falle die Grundlagen für die Ermessensausübung bei der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung verfälscht (vgl. BGH B. v. 04.03.2002 - 5 StR 36/02), ohne dass es darauf ankommt, welchen wahren Aufenthaltszweck die begünstigten Ausländer verfolgten. Ob die Ausländer im Wirklichkeit eine Reise mit anderem touristischen Inhalt unternehmen oder unerlaubter Weise eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollten, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts, für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Dass der Angeschuldigte subjektiv in der Absicht handelte, den begünstigten Ausländern ohne Prüfung der individuellen Reisezwecke jeweils eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen, liegt angesichts des objektiven Ermittlungsergebnisses auf der Hand.

c) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Renner aaO § 92 Rdnr. 4; GK-AuslG § 92 Rdnr. 2; Hailbronner aaO § 92 Rdnr. 56; Aurnhammer aaO S. 151 f; Cantzler aaO S. 191 f) handelt es sich bei § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG nicht um ein nur für Ausländer geltendes Sonderdelikt. Die Vorschrift kann in ihrer fremdnützigen Variante vielmehr auch von Deutschen täterschaftlich verwirklicht werden (vgl. beiläufig OLG Düsseldorf NJW 2000, 1280; Stoppa aaO § 92 AuslG Rdnr. 201; Senge aaO § 92 AuslG Rdnr. 1a; Heinrich ZAR 2003, 166, 171; Lorenz NStZ 2002, 640, 644; Lutz InfAuslR 1997, 384, 388). Weder der offen formulierte Wortlaut der Norm noch der zur Gewährleistung materiell rechtmäßiger Aufenthaltstitel auf den Schutz des formellen Verfahrens abzielende Normzweck rechtfertigt eine Auslegung der Vorschrift als nur von Ausländern begehbares Sonderdelikt. Denn dem Schutzzweck der Norm laufen, wie etwa in den Fällen der Scheinehen deutlich wird, auch falsche Angaben von Deutschen zu Gunsten von Ausländern entgegen (Lorenz aaO). Das für die Sonderdeliktseigenschaft ins Feld geführte Argument, die Pflicht, einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung nur mit wahrhaften Angaben zu belegen, könne nicht einen weiteren Personenkreis treffen als die Pflicht, eine Aufenthaltsgenehmigung einzuholen (Aurnhammer aaO S. 151), ist mit der in § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG vorgesehenen Möglichkeit einer fremdnützigen Tatbegehung nicht zu vereinbaren. Denn in Fällen, in denen falsche Angaben gemacht werden, um für einen anderen ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, fallen Wahrheitspflicht und Pflicht zur Einholung eines Aufenthaltstitels notwendigerweise personell auseinander. Bei dieser Fallkonstellation fehlt für die Herausnahme von Deutschen oder nicht aufenthaltsgenehmigungsbedürftigen Ausländern (Cantzler aaO S. 193) aus dem Kreis möglicher Täter jeglicher Sachgrund (vgl. Heinrich aaO 171; Lorenz aaO). Der Versuch, die Tatbestandsreduktion unter Hinweis auf eine bei generell aufenthaltsgenehmigungsbedürftigen Ausländern bestehende erhöhte Gefahr fremdnütziger Tatbegehung strafpräventiv zu begründen (Cantzler aaO S. 193 f), vermag nicht zu überzeugen. Schließlich spricht der Umstand, dass die durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 (BGBl I 3186) erfolgte Neufassung des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ausdrücklich mit Blick auf die Problematik der Scheinehen vorgenommen wurde (vgl. BT-Drucksache 12/5683 S. 8), ohne zwischen der Strafbarkeit der deutschen und ausländischen Ehepartner zu differenzieren, gegen eine Interpretation der Vorschrift als Sonderdelikt. Dass § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in seiner eigennützigen Begehungsvariante ebenso wie die sonstigen Strafvorschriften des § 92 AuslG nur von Ausländern verwirklicht werden können, rechtfertigt kein anderes Auslegungsergebnis.

2. Ob der Angeschuldigte darüber hinaus hinreichend verdächtig ist, sich wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern nach §§ 92 a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 und 2, 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG in 24 Fällen schuldig gemacht zu haben, kann im Rahmen der hier zu treffenden Beschwerdeentscheidung offen bleiben.

Der Straftatbestand des § 92 a Abs. 1 AuslG erfasst u. a. besondere Formen der zur Täterschaft verselbstständigten Teilnahme an einem Vergehen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1.Alt. AuslG (vgl. BGHR AuslG § 92 a Abs. 1 Nr. 2 Mehrere Ausländer 1; BGH StV 2000, 357, 359; BayObLG NStZ-RR 2003, 275). Bei der Bestimmung strafbarer Schleuserhandlungen ist auf die allgemeinen Regeln zur Anstiftung und Beihilfe nach §§ 26, 27 StGB sowie die Grundsätze der Akzessorietät abzustellen. Danach setzt die Strafbarkeit nach § 92 a Abs. 1 AuslG das Vorliegen einer teilnahmefähigen Haupttat eines Anderen voraus (vgl. BGH aaO; BayObLG aaO; Stoppa aaO § 92 a AuslG Rdnr. 14 f; Lorenz NStZ 2002, 640, 641; a. A. Cantzler aaO S. 135 ff). Die Existenz einer solchen Haupttat erscheint hier zweifelhaft, weil nach dem Ergebnis der Ermittlungen einerseits nicht davon auszugehen ist, dass die ukrainischen Staatsangehörigen über die Blanko-Unterzeichnung ihrer Anträge hinaus in die Erledigung der Visaformalitäten eingebunden waren, und andererseits vieles für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken des Angeschuldigten mit seinen Geschäftspartnern in der Ukraine spricht. Für den Fall, dass der Angeschuldigte und seine Geschäftspartner die Taten nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG mittäterschaftlich begangen haben, neigt der Senat dazu, eine Strafbarkeit des Angeschuldigten nach § 92 a Abs. 1 AuslG mangels einer von einem Anderen begangenen Haupttat zu verneinen. Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, dass diese Auffassung mit erheblichen Wertungswidersprüchen verbunden ist, weil sie dazu führt, dass derjenige, der unter den weiteren Voraussetzungen des § 92 a Abs. 1 AuslG zu einem Vergehen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG lediglich Hilfe leistet, strenger bestraft wird als der unter den gleichen Umständen tätig gewordene Mittäter. Für die hier anstehende Beschwerdeentscheidung bedarf diese Rechtsfrage indes keiner abschließenden Klärung.

3. Auch unter Berücksichtigung der von der Anklage der Staatsanwaltschaft O vom 04.09.2003 abweichenden rechtlichen Bewertung der dem Angeschuldigten angelasteten Taten rechtfertigt die Straferwartung gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts. Dem Angeschuldigten werden insgesamt 24 Vergehen des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AuslG vorgeworfen, für die jeweils ein Strafrahmen eröffnet ist , der Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht. Innerhalb dieser Strafandrohung werden die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Tatumstände - entgeltliche und gewerbsmäßige Tatbegehung, Handeln jeweils zu Gunsten einer Vielzahl von Ausländern - im Falle ihrer Erweislichkeit mit erheblichem Gewicht strafschärfend zu berücksichtigen sein. Bei vorläufiger prognostischer Bewertung des Geschehens unter Einbeziehung aller aus dem Akteninhalt ersichtlicher rechtsfolgenrelevanter Umstände einschließlich der fehlenden strafrechtlichen Vorbelastung des Angeschuldigten kommt im vorliegenden Fall die Verhängung einer die Strafgewalt des Amtsgerichts übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe in Betracht, sodass die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG begründet ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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